Denis Matsuev in der Zürcher Tonhalle
Raffinierte Stückchen
Technisch makellos und mit erfrischendem Zugriff: Der russische Pianist Denis Matsuev präsentierte sich in der Tonhalle mit einem vielseitigen Programm.
Auf eine Anfrage des umtriebigen Petersburger Verlegers Nikolai Bernard antwortete Peter Tschaikowsky 1875 enthusiastisch: «Ich habe grosse Lust, mich jetzt mit Klavierstückchen zu befassen.» Daraufhin legte er in seinem Zyklus «Die Jahreszeiten» op. 37b zwölf Charakterstücke im Sinne Schumanns vor, für die ihm phantastische Stimmungsbilder eingefallen waren.
In Denis Matsuevs Konzert bei den «Meisterinterpreten in Zürich» trat der Erfindungsreichtum und Humor hervor, mit dem Tschaikowsky häusliche Szenen und volkstümliche Bräuche darstellte. Der musikalische Monatskalender bot dem für seinen gestählten Ansatz bekannten russischen Pianisten die Gelegenheit, sich im Grossen Saal der Tonhalle Zürich als vielseitiger Interpret vorzustellen.
Kleine Details
Matsuev hob in jedem Monat jene kleinen Details hervor, welche die intimen Stimmungsbilder kennzeichnen: die wirbelnden Figurationen, die «Januar – Am Kaminfeuer» durchziehen, die süsslichen Melodien in «Mai – Mainächte» oder die sanften Wogen der Begleitung in «Juni – Barcarolle». Ungemein erfrischend gestaltete Matsuev die Betriebsamkeit bei der Ernte im August-Bild und den volkstümlich herben Walzer des Dezembers. Dabei fand er auch für das Lyrische und das Leise eine breite Ausdruckspalette – womit sich Matsuev von einer ungewohnten Seite zeigte.
Der zweite Teil des Programms bestätigte dagegen eher das gewohnte Bild: In technisch anspruchsvollstem Repertoire – von Franz Liszts erstem «Mephisto-Walzer» über Tschaikowskys «Méditation» op. 72 Nr. 5 bis hin zu Sergei Rachmaninows zweiter Klaviersonate (in der revidierten Fassung) – griff Matsuev beherzt in die Tasten. Obschon er die Klangfluten gerade in Rachmaninows Sonate stets zu strukturieren verstand, stürmte er über das ein oder andere Piano hinweg und verpasste so Momente der Entspannung.
Grosse Unterhaltung
Matsuev versteht Zugaben gemäss einer eigenen Aussage als «dritten Konzertteil». Fünfmal setzte er sich nach dem Ende des angekündigten Programms ans Klavier und bot etwas für jeden Geschmack: Leichtigkeit in Anatoli Ljadows «Spieldose» und Jean Sibelius' Etude op. 76 Nr. 2, beeindruckende Virtuosität in Rachmaninows zwölftem Prélude op. 32 und Alexander Skrjabins dis-Moll-Etüde op. 8 Nr. 12. Seine Tour der Miniaturen endete schliesslich in einer quirligen Jazz-Improvisation.
Zürich, Tonhalle, 27. November.
Read here« back