Im Tschaikowsky-Rausch mit Gergiev und den Münchner Philharmonikern
Nach dem tatsächlich rekordverdächtig kurzen Umbau gesellte sich der Klavierhüne Denis Matsuev auf die Bühne, um die ebenso unbekannte wie brillante Partitur des Konzerts für Klavier und Orchester Nr. 2 G-Dur zu bändigen. Und wie er die halsbrecherischen Schwierigkeiten meisterte! Matsuev ist völlig zu Unrecht in Deutschland eher unbekannt. In Russland jedoch und insbesondere in der pianistischen Hochburg Moskau hat man ihm spätestens seit seinem grandiosen Sieg beim XI. Tschaikowsky Wettbewerb von 1998 einen Platz in der ewigen Walhalla der russischen Tastengötter reserviert. Er veranstaltet regelmäßig im Tschaikowsky-Konservatorium seine eigene Konzertreihe unter dem Titel „Matsuev lädt ein“.
Der aus einer sibirischen Musikerfamilie stammende Ausnahmepianist ist ein Vorzeigeadept der strengen russischen Schule und spielt dank des kompromisslosen Technikdrills unerschütterlich souverän und fingertechnisch blitzsauber. Trotz wiederholter kompositorischer Belanglosigkeiten spielte er den ersten Satz immer mit vollem Engagement und arbeitete jeden auch noch so kleinen kontrapunktischen Geistesblitz und jede harmonisch raffinierte Wendung heraus. So hätte man es sich bei der „Kleinrussischen” Symphonie auch gewünscht. Das Orchester begleitete stets sensibel und streckenweise gar kongenial. Das Notenmaterial des zweiten Satzes ist ja ohnehin eher ein Doppelkonzert für Geige und Cello unter Hinzunahme eines großen Symphonieorchesters mit gelegentlicher Klavierbegleitung. Der diensthabende Konzertmeister, das Philharmoniler-Urgestein Lorenz Nasturica-Herschcowici und Solocellist der Münchner Philharmoniker Michael Hell nahmen diese Aufgabe an und spielten schlicht überwältigend. Und nicht nur einfach schön. Nein, vor allem Nasturica-Herschcowici grub den Bogen auch in den höchsten Lagen der G-Saite kompromisslos wie ein Zigeuner in die Saiten und wühlte seinen sonoren Geigenton unermüdlich und ins musikalische Geschehen. In der Durchführung hätte man die Klaviertrio-Passagen auch gut und gerne in den Herkulessaal beamen können zu einem Kammermusikfestival der absoluten Weltklasse! Der erste Satz gelang ebenfalls makellos. Man konnte nicht genug davon bekommen, mit wieviel Geschmack und elegant zurückgenommenem Rubato Denis Matsuev das Hauptmotiv ins einen vielfältigen Variationen anstimmte. Die Kontrastierung der Oktavmotive im Nebenthema waren klangtechnisch ebenfalls derart ausgereift, dass einem vor musikalischem Genuss der Atem stockte.
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