Review from Baden-Baden

July 30 2012

Web site www.klassik.com published the following review on Denis Matsuev’s concert in Baden-Baden (July, 23):

„Der Gewinner des renommierten Tschaikowsky-Wettbewerbs 1998 hat sich mittlerweile insbesondere als Interpret des russischen Repertoires einen Namen gemacht.

Er verfügt über eine pianistische Technik, deren Umschreibung als virtuos fast untertrieben ist. Das Faszinierendste an seinem Spiel ist jedoch, wie er diese technischen Fähigkeiten dazu einsetzt, Musik zu gestalten, zu formen, manchmal regelrecht zurechtzumeißeln.

Matsuev, dessen äußere Gestalt wie auch sein gravitätisch wiegender Schritt etwas Bärenhaftes an sich hat, inszenierte den Beginn des ersten Satzes wie ein räumliches Näherkommen, wobei selbst den ersten Akkorden eine Kernigkeit des Klangs eignete, die während des gesamten Konzerts glücklicherweise nie aufgegeben wurde.

Während dieser glockenhaften Anfangstakte, die in sehr verhaltenem Tempo genommen wurden, konnte man noch befürchten, diese Lesart könne ins Fahrwasser der unerträglich sentimentalen, in ihrer Eindimensionalität entstellenden Interpretation von Lang Lang geraten, der das Konzert zusammen mit Gergiev vor einigen Jahren eingespielt hat.

Doch schon mit dem Übergang zu den ritardierenden Viertel-Akzenten im Klavier, spätestens aber mit Eintritt des Orchesters erwies sich diese Befürchtung als gegenstandslos. Es folgte eine Interpretation des Kopfsatzes, die sich als äußerst dynamisch, temperamentvoll, zugleich aber auch sehr schlüssig in der leidenschaftlichen Nachzeichnung der Spannungslinien erwies.

Entscheidenden Anteil hatte daran Denis Matsuevs Klanggestaltung. Sein Klavierklang hat selbst im Piano einen stählernen Kern, der die Musik stets davor hütet, allzu schön zu geraten. Packt er allerdings im Fortissimo seine kraftvolle Pranke aus, gelingen Momente fast ungezügelter Vehemenz und Strahlkraft. Zusammen mit dem wachen, im Tempo biegsamen Spiel des Orchesters des St. Petersburger Mariinsky-Theaters entwickelte Matsuev in der Durchführung des Kopfsatzes eine ungeheure Sogwirkung, die sich mit beinahe überwältigender Wucht entlud. Es war zu bestaunen, wie Matsuev Rachmaninoffs c-Moll-Konzert, ein Paradestück des russischen Pianisten, in mächtige Spannungsverläufe überführte. Parallel zu dieser geschickten Dramaturgie im Großen ließ er im Kleinen die ganze Dichte von Rachmaninoffs kunstvollem Klaviersatz aufleuchten: Gegenstimmen im tiefen Register fanden durch Matsuevs festen Anschlag zu jener Präsenz, die ihnen gebührt.

Matsuev machte in jedem Moment deutlich, dass er das musikalische Geschehen beherrscht – durchaus in mehrerer Hinsicht: Einerseits profitierte der langsame Satz von Matsuevs Vermögen, Phrasen kristalliner Schärfe mit dem Kantabile zu verbinden. Andererseits wirkte sein Zugriff gerade am Satzbeginn in den Dialogpassagen mit den solistischen Holzbläsern ein wenig zu laut. Derlei Einwände machte ein Finale schnell vergessen, dessen Schwung schlichtweg elektrisierend wirkte. Den daraufhin anbrechenden Jubelsturm quittierte Matsuev  mit einem Showpiece reinster Güte: Grigory Ginzburgs Fantasie über Rossinis ‚Largo al factotum‘ aus dem ‚Barbier von Sevilla‘. Als augenzwinkernder Abschluss folgte Liadovs Valse-Badinage 'Une Tabatière à musique'.“

 

The original publication is available here. 


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