"Teuflisch virtuos"
Jukka-Pekka Saraste stellte den russischen Pianisten Denis Matsuev vor
Das jüngste Philharmoniekonzert des WDR Sinfonieorchesters sollte den Titel „Dämonen“ tragen, passend zu Prokofjews 3. Sinfonie (1928). Doch war der Chefdirigent Jukka-Pekka Saraste vorübergehend erkrankt, hatte es an Probenzeit fiir diese Rarität gefehlt.
Übrig geblieben vom „Dämonen“-Programm war Rachmaninows 3. Klavierkonzert d-Moll. Mit dem teuflisch schwierigen Solopart hatte Rachmaninow selbst als Pianist imponiert, zuerst 1909 in Amerika. Jetzt präsentierten Saraste und der junge russische Pianist Denis Matsuev das gefürchtete „Elefantenkonzert“ überraschend entspannt, entstaubt, weitgehend von Pomp befreit. Matsuev spielte das liedhafte Eingangsthema schlicht, das Orchester sekundierte sanft - ein Signal für das ganze Konzert. Da entfalteten altmodische Triller und Glöckchengeklingel einen liebenswerten Charme, da entzückte der Klavierzauberer mit federleicht servierten Sprungpassagen und einer spritzigen Scherzando-Episode im Finale. Solist und Orchester hatten sich auf eine insgesamt eher helle, genussvolle Deutung geeinigt, mit Oasen der Seelenruhe. Im Zusammenspiel mit dem Orchester wirkten Matsuevs grandiose pianistische Fähigkeiten für den Dienst an Rachmaninows Themen und Motiven gebändigt.
Ein Bravourstück zum Staunen über Löwenpranke, Griffsicherheit und Martellato-Energie war die Solozugabe, Grigory Ginzburgs Fantasie über das „Largo al factótum“ aus Rossinis Oper „Der Barbier von Sevilla“. Matsuev inszenierte die quecksilbrige Zirkusnummer mit exorbitanter Pia- nistik, mit Laune und Witz.
von Marianne Kierspel, Kölner Stadt-Anzeiger
Teuflisch virtuos
„Dämonen“: Sinfoniekonzert des WDR in der Kölner Philharmonie
Der Dämon trug einen Gehrock über seiner sportlichen Figur. „Dämonen“ hatte der WDR sein aktuelles Sinfoniekonzert übertitelt, dämonisch erschien aber nur der Solist in Rachmaninows 3. Klavierkonzert: Er spielte teuflisch virtuos, das gefiel ausgezeichnet.
Die geplante 3. Sinfonie von Prokofjew musste entfallen, da der Chefdirigent Jukka- Pekka Saraste durch eine Erkrankung erst später als geplant in Köln anreisen konnte. Das Ausweichwerk, Brahmsens Erste in c-Moll, wurde zu mehr als einem Lückenbüßer. Saraste, der sich von ein paar Viren nicht klein kriegen lässt, senste mit seinem Stab kraftvoll durch die rhythmisch oft verschleierten Klangmassive und tat alles, um dämonischromantische Stirnfalten glatt zu bügeln. Ein lichter, feiner Klang war gefragt, klare Strukturen, keine seufzenden Hommelodien, sondern singende Solisten. Und die neue Generation an den Ersten Pulten, angefangen beim Konzertmeister, konnte ihre Klasse bei Brahms beweisen.
Auch das berüchtigte Dritte Klavierkonzert von Rach- maninow fordert vom Orchester höchste Konzentration. Allein die ersten Takte gerieten perfekt, in denen das Orchester den Klangraum vorstellt und dann zurückfährt, um dem Solisten zu lauschen. Denis Matsuev, russischer Pianist Mitte der Dreißig übertrug das Geschäft auf seine Tastatur. Als Wolf im Pastorenlook betete er die einfach Melodie demütig streng wie einen Choral von Bach. Aber Rachmaninow hat in diesem Konzert natürlich diverse Explosionspunkte angelegt, bei denen es den Pianisten, der bei aller brillanter Geschwindigkeit auch noch kraftvoll zuschlug, um das Or- chestertutti zu übertrumpfen, manchmal schier vom Hocker riss.
Selten hörte das Publikum in der restlos ausverkauften Philharmonie eine so umwerfend sauber ausgestochene, rasant und mitreißend vorgetragene Virtuosenpartie wie an diesem Abend.
von Olaf Weiden, Kölnische Rundschau
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