"Teuflisch virtuos"

March 21 2012
Entspannt und ohne Pomp

Jukka-Pekka Saraste stellte den russischen Pianisten Denis Matsuev vor

 

Das jüngste Philharmoniekonzert des WDR Sinfonieorchesters soll­te den Titel „Dämonen“ tragen, passend zu Prokofjews 3. Sinfonie (1928). Doch war der Chefdirigent Jukka-Pekka Saraste vorüberge­hend erkrankt, hatte es an Proben­zeit fiir diese Rarität gefehlt.

Übrig ge­blieben vom „Dämonen“-Programm war Rachmaninows 3. Klavierkonzert d-Moll. Mit dem teuflisch schwierigen Solopart hatte Rachmaninow selbst als Pia­nist imponiert, zuerst 1909 in Amerika. Jetzt präsentierten Sa­raste und der junge russische Pia­nist Denis Matsuev das gefürchte­te „Elefantenkonzert“ überra­schend entspannt, entstaubt, weit­gehend von Pomp befreit. Matsuev spielte das liedhafte Eingangsthe­ma schlicht, das Orchester sekun­dierte sanft - ein Signal für das ganze Konzert. Da entfalteten alt­modische Triller und Glöckchen­geklingel einen liebenswerten Charme, da entzückte der Klavier­zauberer mit federleicht servierten Sprungpassagen und einer spritzi­gen Scherzando-Episode im Fina­le. Solist und Orchester hatten sich auf eine insgesamt eher helle, ge­nussvolle Deutung geeinigt, mit Oasen der Seelenruhe. Im Zusam­menspiel mit dem Orchester wirk­ten Matsuevs grandiose pianistische Fähigkeiten für den Dienst an Rachmaninows Themen und Mo­tiven gebändigt.

Ein Bravourstück zum Staunen über Löwenpranke, Griffsicher­heit und Martellato-Energie war die Solozugabe, Grigory Ginz­burgs Fantasie über das „Largo al factótum“ aus Rossinis Oper „Der Barbier von Sevilla“. Matsuev in­szenierte die quecksilbrige Zir­kusnummer mit exorbitanter Pia- nistik, mit Laune und Witz.

von Marianne Kierspel, Kölner Stadt-Anzeiger

Teuflisch virtuos

„Dämonen“: Sinfoniekonzert des WDR in der Kölner Philharmonie

 

Der Dämon trug ei­nen Gehrock über seiner sportlichen Figur. „Dämonen“ hatte der WDR sein aktuelles Sinfoniekonzert übertitelt, dämonisch erschien aber nur der Solist in Rachmaninows 3. Klavierkonzert: Er spielte teuflisch virtuos, das gefiel ausgezeichnet.

Die geplante 3. Sinfonie von Prokofjew musste entfallen, da der Chefdirigent Jukka- Pekka Saraste durch eine Er­krankung erst später als ge­plant in Köln anreisen konnte. Das Ausweichwerk, Brahms­ens Erste in c-Moll, wurde zu mehr als einem Lückenbüßer. Saraste, der sich von ein paar Viren nicht klein kriegen lässt, senste mit seinem Stab kraft­voll durch die rhythmisch oft verschleierten Klangmassive und tat alles, um dämonisch­romantische Stirnfalten glatt zu bügeln. Ein lichter, feiner Klang war gefragt, klare Strukturen, keine seufzenden Hommelodien, sondern sin­gende Solisten. Und die neue Generation an den Ersten Pulten, angefangen beim Konzertmeister, konnte ihre Klasse bei Brahms beweisen.

 

Auch das berüchtigte Drit­te Klavierkonzert von Rach- maninow fordert vom Or­chester höchste Konzentrati­on. Allein die ersten Takte ge­rieten perfekt, in denen das Orchester den Klangraum vorstellt und dann zurück­fährt, um dem Solisten zu lau­schen. Denis Matsuev, russi­scher Pianist Mitte der Drei­ßig übertrug das Geschäft auf seine Tastatur. Als Wolf im Pastorenlook betete er die einfach Melodie demütig streng wie einen Choral von Bach. Aber Rachmaninow hat in diesem Konzert natürlich diverse Explosionspunkte an­gelegt, bei denen es den Pia­nisten, der bei aller brillanter Geschwindigkeit auch noch kraftvoll zuschlug, um das Or- chestertutti zu übertrumpfen, manchmal schier vom Hocker riss.

Selten hörte das Publikum in der restlos ausverkauften Philharmonie eine so um­werfend sauber ausgestoche­ne, rasant und mitreißend vorgetragene Virtuosenpartie wie an diesem Abend.

von Olaf Weiden, Kölnische Rundschau

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